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Brandschutztechnisch wirksame Bekleidung

Allgemeine Anforderung an die Bekleidung:

Bei einseitiger Brandbeanspruchung soll das dahinter liegende Material für eine festgelegte Zeitdauer vor Entzündung und Verkohlung geschützt werden.


Arten von Gipsplatten nach DIN EN 520 (Auswahl)

Handelsübliche Gipsplatten

Auf der Ansichtsseite kann ein geeigneter Gipsputz oder eine dekorative Beschichtung aufgebracht werden.

Feuerschutzplatten (GKF-Platten)

Typ D: Gipsplatten mit definierter Dichte (i.d.R. > 800 kg/m³)
Typ F: Gipsplatten mit verbessertem Gefügezusammenhalt des Kerns bei hohen Temperaturen (Brandfall), z.B. mineralische Fasern und/oder andere Zusätze

Faserverstärkte Gipsplatten (Gipsfaserplatten)

Gipsplatten, die mit anorganischen und/oder organischen Fasern verstärkt werden.


Wie schützt eine Brandschutzbekleidung die dahinterliegenden Bauteile?

Bei gipsbasierten Brandschutzbekleidungen erfolgt der Schutz dahinterliegender Bauteile infolge der Dehydratation des chemisch und physikalisch gebundenen Wassers.

Die Dehydratation beginnt etwa bei 40 °C. Ein nennenswerter Effekt ist ab einer Temperatur von 180 - 120 °C zu beobachten. Je nach Dicke der Brandschutzbekleidung kann die Schutzzeit verlängert werden.

Im Forschungsvorhaben TIMpuls wurden verschiedene Untersuchungen und Prüfberichte zur Versagenszeit von Brandschutzbekleidungen ausgewertet. Der Versagenszeitpunkt wurde zu dem Zeitpunkt definiert, an dem die Temperatur zwischen der Brandschutzbekleidung und seiner Trägerplatte (Tragkonstruktion) 300 °C erreicht. Das ist auch die nach DIN EN 1995-1-2 (Eurocode 5) festgelegte Grenztemperatur, ab der Holz brennt.


Versuchstechnische Untersuchungen zur Leistungsfähigkeit von Brandschutzbekleidungen

Im Forschungsvorhaben TIMpuls wurden Versuche in verschiedenen Maßstäben mit Brandschutzbekleidungen durchgeführt.

  • Kleinmaßstäbliche Brandversuche im Brandofen nach DIN 4102-8 (Probengröße 50 x 50 cm)
  • Großmaßstäbliche Brandversuche im Brandofen 2,0 x 4,0 x 3,1 m
  • Großmaßstäbliche Realbrandversuche 4,5 x 4,5 x 2,4 m bzw. 4,5 x 9,0 x 2,4 m 

Untersuchung im Prüfofen nach DIN 4102-8

Einwirkung:

  • Einheitstemperaturzeitkurve (ETK) - 60 bzw. 90 Minuten Einwirkungsdauer
  • Naturbrandmodelle, die im Projekt TIMpuls entwickelt wurden (vgl. Abbildung 5) - bis zu 175 Minuten Einwirkungsdauer.

 

Gipsplatten:

  • Typ A (nach DIN EN 520),
  • GKF-Platten (nach DIN EN 520) und
  • GF-Platten (nach DIN EN 15382-2 bzw. ETA-03/0050)

 

Größe: 500 x 500 mm²
Beflammte Fläche: 450 x 450 mm²

Varianten:

  • 1 x 18 mm,
  • 1 x 25 mm,
  • 2 x 15 mm (30 mm),
  • 15 mm + 18 mm (33 mm),
  • 2 x 18 mm (36 mm) und
  • 3 x 12,5 mm (37,5 mm).

 

Trägerplatten:

  • 19 mm Spanplatten (Norm-Trägerplatte),
  • 15 mm OSB/3-Platten (nach DIN EN 300) und
  • 40 mm Massivholzplatten (SWP) (nach DIN EN 13353).

 

Gefache:

  • Fichtenrahmen (100 mm x 40 mm)
  • Teils Hinterlegung mit Mineralwolle (erzeugt Wärmestau hinter der Trägerplatte)

 

Messtechnik:

  • Thermoelemente vom Typ K nach DIN EN 60584-1
  • je 4 Thermoelemente zwischen den einzelnen Bauteillagen

Tabelle 1: Versuchsmatrix der Brandversuche zur Leistungsfähigkeit der Brandschutzbekleidung

Kapselkriterium nach DIN EN 13501-2

Brandschutzbekleidungen als brandschutztechnisch wirksame Bekleidung

  • Prüfung nach EN 14135
  • keine Temperaturerhöhung ΔT auf der Trägerplatte von 250 °C im Mittel, 270 °C Einzelwerte
  • keine Verbrennungen oder Verkohlung auf Trägerplatte
  • kein Zusammenbrechen der Bekleidung

Brandschutzbekleidung im Sinne der Brandschutzbemessung

Alternativ können Produkte und Systeme zum Schutz von Bauteilen unter dem Begriff des Brandschutzmaterials zusammengefasst werden.

  • Prüfung nach DIN EN 13381-7
  • Grenzkriterium, wenn die Temperatur hinter dem Brandschutzmaterial über 300 °C ansteigt (beginn Abbrand).

Brandschutzbemessung nach DIN EN 1995-1-2

Leistungsnachweis:

  • Beginn des Abbrandes nach DIN EN 1995-1-2

    "Beginn des Abbrandes: Zeitpunkt, an dem die Oberflächentemperatur für zunächst geschützte Seiten von Holzbauteilen 300 °C erreicht“ [prEN 1995-1-2:2023 (D)]

  • Für typische Brandschutzmaterialien sind entsprechende Berechnungsformeln in der DIN EN 1995-1-2 vorhanden

Nachweismöglichkeiten für die Praxis

Kapselkriterium nach DIN EN 13501-2

Schutzfunktion tch nach DIN EN 1995-1-2

Rechnerisch

-

nach DIN EN 1995-1-2

Brandprüfung

Prüfung nach EN 14135

Prüfung nach EN 13381-7

Was ist der wesentlichste Unterschied?

Das Kapselkriterium (z.B. K230 oder K260 → Schutzdauer über 30 bzw. 60 Minuten) kann nur durch eine Prüfung nach EN 14135 bestimmt werden. Insbesondere das Kriterium, dass keine Verbrennungen oder Verkohlungen auf der Trägerplatte auftreten dürfen, beeinflusst i.d.R. die ermittelte Schutzzeit maßgeblich. Aufgrund der deutlich höheren Wärmeleitfähigkeit tritt das Versagen der Bekleidung (im Sinne der Prüfung) dabei vor allem im Bereich der Verbindungsmittel auf (vgl. Abbildung 8), obwohl weite Bereiche keine Verkohlung oder erhöhte Temperaturen aufweisen.

Im Gegensatz dazu kann die Schutzfunktion nach DIN EN 1995-1-2 sowohl rechnerisch als auch durch eine Prüfung nach DIN EN 13381-7 erfolgen. Dabei gilt das Grenzkriterium, wann zwischen der Bekleidung und Trägerplatte eine Temperatur von 300 °C erreicht wird.

Vergleich der Trägerplatten

  • Sichtbare Verfärbungen traten bereits ab einer Grenzschichttemperatur von 200 °C auf.
  • Verschiedene Trägerplatten sorgen für geringfügig unterschiedliche Verkohlungsbilder (vgl. Abbildung 9).
  • Die Verfärbung unter Naturbrandbeanspruchung ist geringfügig stärker als unter EKT-Brandbeanspruchung.
  • Der Wärmeabfluss auf der brandabgewandten Seite kann mit der Trägerplatte beeinflusst werden.
  • Eine Dämmung hinter der Trägerplatte sorgt für einen Wärmestau.
  • Die unregelmäßigere Oberflächenstruktur der OSB/3-Platte zeigt teilweise eine stärkere Neigung zur Verfärbung.


Weitere Verkohlungsbilder

Vergleich der Bekleidung

Maßgebend für die Schutzwirkung ist die Rissbildung der Bekleidungen (vgl. Abbildung 15).

Gipsplatten Typ A: Starke Rissbildung und herabfallen von Bekleidungsteilen

Gipsplatten Typ DF: gleichmäßig verteilte, kleine Haarrisse

Gipsfaserplatten (GF-Platten): massive Rissbildung und Wölbung in den Brandraum

 

Insgesamt verhalten sich GF-Platten und Platten vom Typ DF (GKF-Platten) sehr ähnlich. Platten vom Typ A weisen hingegen eine starke Rissbildung und ein Herabfallen von Bekleidungsteilen auf.

Schutzwirkung von Brandschutzbekleidungen

Eine Brandschutzbekleidung dient dazu, die Entzündung von Bauteilen ausreichend lange zu verhindern.
Im Vorhaben TIMpuls wurden hierzu Gipsplatten vom Typ A, Typs DF sowie Gipsfaserplatten (GF) untersucht.
Gipsplatten vom Typ DF und Gipsfaserplatten zeigen mitunter die besten Eigenschaften hinsichtlich ihrer Schutzwirkung.

Bei allen Untersuchungen nach ETK- bzw. Naturbrand_1-Brandbeansprchung traten Verkohlungen auf der Trägerplatte auf.
Die Trägerplatten bei Beanspruchung nach Naturbrand_2 wiesen keine Verkohlungen auf.

Die Art der Trägerplatte spielt eine untergeordnete Rolle.

Beanspruchung durch ETK

Sichtbare Verkohlung bei Grenzschichttemperatur von ca. 270 °C, aber keine Entzündung der Trägerplatte.

Auslegung der Bekleidung, bei der eine Verkohlung der Trägerplatte, aber keine Entzündung auftritt:

  • 90 min ETK → 2 x 18 mm (36 mm) bzw. 15 mm + 18 mm (33 mm)
  • 60 min ETK → 2 x 15 mm (30 mm) bzw. 1 x 25 mm
  • 30 min ETK → 1 x 18 mm

 

2-lagige Plattenaufbauten verhalten sich geringfügig besser als 1-lagige Aufbauten.
Grundsätzlich ist aber die Gesamtdicke der Brandschutzbekleidung entscheidend.

Plattenfugen sollten versetzt angeordnet bzw. mit Stufenfalz oder Nut- und Federverbindung ausgebildet werden.

Der Nachweis über die Schutzwirkung von Brandschutzbekleidungen kann auf drei verschiedene Wege erbracht werden:

  1. Rechnerisch nach DIN EN 1995-1-2:2010-12, Abschnitt 3.4.3.3
  2. Brandversuche nach DIN EN 13381-7:2019-09, Abschnitt 13.2.2
  3. Brandversuche zur K2-Klassifizierung

Für die Ausführung von Brandschutztechnisch wirksamen Bekleidungen in den Gebäudeklassen 4 und 5 ist die “Muster-Richtlinie über brandschutztechnische Anforderungen an Bauteile und Außenwandbekleidungen in Holzbauweise (MHolzBauRL)” anzuwenden.

Dabei ist die im jeweiligen Bundesland aktuelle und eingeführte Fassung heranzuziehen.

Dort finden Sie Hinweise zur Ausführung, zu Verbindungsmittelabständen, zu eine mögliche Reduzierung der Bekleidungsstärke sowie dem Nachweis von Brandschutzbekleidungen.


Weiterführende Literatur

  • TIMpuls Schlussbericht:
    Engel, T.; Brunkhorst, S.; Steeger, F.; Butscher, D.; Kurzer, C.; Werther, N.; Winter, S.; Zehfuß, J.; Kampmeier, B.; Neske, M. (2022) Schlussbericht zum Verbundvorhaben TIMpuls - Brandschutztechnische Grundlagenuntersuchung zur Fortschreibung bauaufsichtlicher Regelungen im Hinblick auf eine erweiterte Anwendung des Holzbaus. Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe; Gülzow-Prüzen
    https://doi.org/10.14459/2022md1661419
     
  • Bautechnik Aufsatz:
    Kurzer, C.; Werther, N.; Winter, S.; Zehfuß, J. (2024) Hintergründe und Grundlagen zur Anwendung von Brandschutzbekleidungen im Holzbau.
    Bautechnik 101, H. 1, S. 21–28.
    https://doi.org/10.1002/bate.202300072