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© Josh Olalde | Unsplash

Hohlraumbrände durch Elektrik

Im Jahr 2023 war in 32% aller Gebäudebrände die Ursache ein Elektrobrand (vgl. Abbildung 1).

Natürlich sind auch im mehrgeschossigen Holzbau Elektroinstallationen in den Holzkonstruktionen verbaut. Doch stellen brennbare Konstruktionen ein erhöhtes Risiko für Brandentstehung durch Elektrobrände dar und sind erhöhte Schutzmaßnahmen erforderlich?

Diese Fragestellung wurde innerhalb des Vorhabens TIMpuls genauer untersucht.

Was war das Untersuchungsziel in TIMpuls?

Es sollte ein Nachweis erbracht werden, ob brennbare Konstruktionen die Brandentstehung innerhalb von Holztafelbau-Konstruktionen bzw. -Bauteilen bei Fehlerlichtbögen begünstigen oder nicht.

Darüber hinaus sollte die Frage beantwortet werden, ob Fehlerlichtbogen-Schutzeinrichtungen (engl. = Arc Fault Detection Device (kurz: AFDD)) in modernen Standardgebäuden in Holzbauweise das brandschutztechnische Schutzniveau signifikant erhöhen können.

Grundlagen und Begriffe

Leitungs-Schutzschalter (LS-Schalter): Schützt die Leitung vor Überlastung.

Fehlerstrom-Schutzschalter (RCD-Schalter; alte Bezeichnung: FI-Schalter): Unterbricht den Stromkreislauf bei Fehlerströmen 

Prüfkörper (Elektroleitungen)

  • Dreiadrige elektrische Installationsleitung mit PVC-Mantel
  • Dreiadrige elektrische Installationsleitung mit halogenfreiem Polymer-Mantel
     

Jeweils 1,5 mm² Leiterquerschnitt aus Kupfer (Außenleiter, Neutralleiter, Schutzleiter)

 

Prüfkörper (Elemente / Bauteile)

  • Konstruktionsvollholz (KVH), Fichte (60 x 120 mm², Länge 400 mm)
  • OSB 3-Platten (t = 15 mm, Rohdichte = 600 kg/m³)
  • Mineralwolle A1 (Glaswolle) nach DIN EN 13162, nichtbrennbar (A1) ohne Neigung zum kontinuierlichen Schwelen
  • Mineralwolle A1 (Glaswolle) nach DIN EN 13162, nichtbrennbar (A1) ohne Neigung zum kontinuierlichen Schwelen mit Schmelzpunkt ≥ 1000 °C

 

Einwirkung / Untersuchungen

  • Maximaltemperatur unter versuchstechnischem Fehlerlichtbogen durch Grafitelektroden im Schaltkreis 1 (einfacher Schaltkreis)
  • Dauer eines seriellen Lichtbogens innerhalb des Außenleiters im Schaltkreis 2 (dreiadriger Schaltkreis)
  • Einwirkung von Fehlerlichtbögen auf KVH, OSB und Mineralwolle im Schaltkreis 1 (einfacher Schaltkreis)

Schaltkreis 1 | Einfacher Schaltkreis

Außenleiter wird separiert geführt.

Leiter kann mit und ohne Kabel geführt werden. Abbildung 3 zeigt den Aufbau mit dreiadrigem Kabel.

→ Lichtbogen kann aufrechterhalten werden, ohne das der RCD- oder LS-Schalter auslöst.

Schaltkreis 2 | Dreiadriger Schaltkreis

Außenleiter, Neutralleiter und Schutzleiter werden gemeinsam angeschlossen und in einem Kabel geführt.

Außenleiter durchtrennt und mit Grafit versehen.

Isolierung anschließend wieder zusammengeschoben.

→ Begrenzter Lichtbogen, da RCD- oder LS-Schalter irgendwann auslösen.

Temperaturnachweis und Dauer von Lichtbögen

Maximaltemperaturen durch Fehlerlichtbögen

Die maximalen Temperaturen während eines Fehlerlichtbogens im Schaltkreis 1 lag bei über 3.400 °C.

 

Maximale Dauer eines seriellen Lichtbogens

Im Schaltkreis 2 (dreiadriger Schaltkreis) wurde ein Lichtbogen erzeugt. Ziel war es herauszufinden, wie lange ein Lichtbogen auftreten kann, bis die haushaltsüblichen Schutzeinrichtungen den Stromfluss unterbrechen. Tabelle 1 und Abbildung 6 zeigen die Ergebnisse sowie die Installationsleitungen nach Beendigung des Versuchs.

Für alle weiteren Untersuchungen wurde die maximale Dauer des Lichtbogens auf 20 Sekunden festgelegt.


Tabelle 1: Dauer des seriellen Lichtbogens (nach [2])

Lfd. Nr.

Dauer bis zum Auftreten des ersten Lichtbogens [s]

Dauer des seriellen Lichtbogens ab Auftreten [s]

Gesamtdauer bis zum Auslösen der Schutzvorrichtung [s]

Ausgelöste Schutzvorrichtung

1

19,5

12,4

31,9

LS-Schalter

2

1,3

13,0

14,3

RCD-Schalter

3

1,1

18,4

19,4

LS-Schalter

4

1,7

3,2

4,8

LS-Schalter

Einwirkung auf KVH, OSB und Mineralwolle

Einwirkung von Fehlerlichtbögen auf KVH, OSB und Mineralwolle im Schaltkreis 1 (einfacher Schaltkreis)

Hierbei ging es um die direkte Einwirkung des Fehlerlichtbogens auf die verschiedenen Materialien. Es wurde der einfache Schaltkreis nur mit dem Außenleiter verwendet. Der Lichtbogen wirkte für eine Dauer von 20 Sekunden auf die Prüfkörper ein. 

Wie Abbildung 7 zeigt, wurden die Prüfkörper in drei verschiedenen Varianten angeordnet.

  • Prüfkörper waagerecht, Lichtbogen an der Oberseite
  • Prüfkörper senkrecht, Lichtbogen parallel an der Seite
  • Prüfkörper waagerecht, Lichtbogen an der Unterseite

Bei allen Materialien traten Verkohlungen (KVH bzw. OSB) bzw. Schmelzbereiche (Dämmstoffe) auf. Ein selbständiger Weiterbrand konnte nicht festgestellt werden. Die Materialien verhielten sich somit selbstverlöschend (vgl. Abbildung 8-10).


Einwirkung bei dreiadrigen Kabeln auf KVH

Fragestellung

Treten Unterschiede zwischen PVC- und halogenfreien Kabeln auf?

Versuchsaufbau

  • senkrechter und waagerechter Prüfkörperaufbau
  • Schaltkreis 1 (einfacher Schaltkreis)
  • zusätzliche Brandlast durch Kabel
     

Einwirkungsdauer

  • unbegrenzt, bis kein Strom mehr durch Außenleiter fließt

Ergebnisse

PVC-Kabel zeigen eine höhere Entzündbarkeit und stärkere Rauchentwicklung als halogenfreie Kabel.

Bei beiden Kabeln traten Verkohlungen am KVH auf, wobei kein selbstständiges Weiterbrennen beobachtet werden konnte. Prüfkörper verhielten sich selbstverlöschend.

 

Tabelle 2: Dauer der Versuche und Lichtbögen am KVH (nach [2])

Lfd. Nr.

Kabeltyp

Anordnung

Dauer des Lichtbogens [s]

Selbstständiges Erlöschen des Prüfkörpers nach einer Gesamtzeit von [s]

1

PVC

waagerecht

46

171

2

PVC

senkrecht

83

174

3

halogenfrei

waagerecht

17

24

4

halogenfrei

senkrecht

12

Keine Entzündung


Einwirkung auf Holztafelkonstruktionen

Fragestellung

Welche Wirkung haben Fehlerlichtbögen innerhalb von geschlossenen Holztafelkonstruktionen mit nichtbrennbaren Dämmstoffen?

Versuchsaufbau

  • Holztafelbauelemente (Höhe 125 cm, Breite 74,5 cm, Tiefe 17,5 cm) vgl. Abbildung 15
  • Schaltkreis 1 (einfacher Schaltkreis)
  • zusätzliche Brandlast durch dreiadriges Kabel beim Außenleiter
     

Einwirkungsdauer

  • unbegrenzt, bis kein Strom mehr durch Außenleiter fließt
     

Einwirkungsort

  • PVC-Kabel mittig zwischen den KVH-Ständern auf der Dämmung
  • PVC-Kabel entlang des KVH-Ständers
  • halogenfreies Kabel entlang des KVH-Ständers

(1) Gipskartonplatte 12,5 mm
(2) OSB 3-Platte 15,0 mm
(3) KVH 60 x 120 mm
(4) Mineralwolle Dämmstoff 120 mm

Ergebnisse

Versuche mit PVC-Kabel erreichen Versuchszeiten von 20 Minuten. Die Einwirkungszeit liegt damit auf der sehr sicheren Seite. Real hätten Schutzschalter im Kabel ausgelöst und die Stromzufuhr unterbrochen.

Bei den Versuchen mit PVC-Kabel entstanden Verkohlungen, wobei kein selbstständiges Weiterbrennen beobachtet werden konnte. Die Prüfkörper verhielten sich selbstverlöschend.

Lichtbogen mit halogenfreiem Kable trat nur 22 Sekunden auf. Es trat nur eine geringe Verkohlung auf.

 

Tabelle 3: Dauer der Versuche und Lichtbögen in der Holztafelbauwand (nach [2])

Lfd. Nr.

Kabeltyp

Anordnung

Dauer des Lichtbogens / Stromfluss [s]

Versuchsdauer [s]

Selbstständiges Erlöschen des Prüfkörpers, keine Löschmaßnahmen?

1

PVC

mittig

1200.

Abbruch nach 1200

ja

2

PVC

am Ständer

1200.

Abbruch nach 1200

ja

3

halogenfrei

am Ständer

22.

kein Stromfluss mehr ab 22

ja, lokal sehr begrenzte Verkohlung


Brandentstehungsrisiko durch Elektroinstallationen

Allgemeine Erkenntnisse

Das Brandentstehungsrisiko durch Elektrokabel innerhalb von Holztafelbauelemente mit nichtbrennbaren Dämmstoffen ist als verhältnismäßig gering einzuschätzen. I.d.R. kommt es vorher zum Eingreifen der normalen haustechnischen Schutzeinrichtungen (RCD-Schalter oder LS-Schalter).

Halogenfreie Kabel verhalten sich im Brandfall gutmütiger als PVC-Kabel. Grund dafür ist, dass sich keine PVC-Schmelze bilden kann, die eine leitende Schicht bildet. Zu beachten ist jedoch, dass bei den Versuchen nur einzelne Kabel untersucht wurden. Welche Eigenschaften Kabelbündel im Brandfall aufweisen, war nicht Teil der Untersuchung.

Sichtbare Holzoberflächen erhöhen im Zusammenhang mit Elektrokabeln das Brandentstehungsrisiko nicht, können aber die Raumbrandentwicklung begünstigen.

 

Fehlerlichtbogen-Schutzeinrichtungen

Fehlerlichtbogen-Schutzeinrichtungen (AFDDs) sind insbesondere in Gebäuden mit besonderem Schutzniveau (Sonderbau, Krankenhäuser, Pflegeheime, Gebäude mit Kulturschätzen, etc.) sinnvoll, um den Brandschutz zu verbessern. Eine Notwendigkeit, diese zukünftig für Standardgebäude gesetzlich vorzuschreiben, besteht bei Betrachtung der durchgeführten Brandversuchen nicht.

 

Elektroleitungen und Holztafelbauelemente mit nachwachsenden Dämmstoffen

Im Verbundvorhaben “Mehr als nur Dämmung - Zusatznutzen von Dämmstoffen aus nachwachsenden Rohstoffen (NawaRo-Dämmstoffe)” wurden auch Untersuchungen mit nachwachsenden Rohstoffen gemacht. Laut dem Schlussbericht zeigten Gefachedämmungen aus Holzfaserdämmplatten, dass ebenfalls kein eigenständiges Weiterbrennen bzw. -schwelen der Dämmstoffe nach dem Abschalten des Fehlerlichtbogens auftragt. Die genauen Ergebnisse und Versuchskonfigurationen sind dem Schlussbericht zu entnehmen (siehe “weiterführende Literatur”).


Quellen und weiterführende Literatur

  1. Institut für Schadenverhütung und Schadenforschung der öffentlichen Versicherer e. V. [Hrsg.] (2024) URSACHEN-STATISTIK - Brandschäden 2023. Online abrufbar www.ifs-ev.org/schadenverhuetung/ursachenstatistiken/ursachenstatistik-brandschaeden-2023/, zuletzt geprüft am 21.11.2024
  2. Moosmüller, K. (2019) Untersuchung der Brandgefahr durch Elektroinstallationen in Holzgebäuden [Masterthesis]. Technische Universität München.

 

Weiterführende Literatur

  • TIMpuls Schlussbericht:
    Engel, T.; Brunkhorst, S.; Steeger, F.; Butscher, D.; Kurzer, C.; Werther, N.; Winter, S.; Zehfuß, J.; Kampmeier, B.; Neske, M. (2022) Schlussbericht zum Verbundvorhaben TIMpuls - Brandschutztechnische Grundlagenuntersuchung zur Fortschreibung bauaufsichtlicher Regelungen im Hinblick auf eine erweiterte Anwendung des Holzbaus. Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe; Gülzow-Prüzen
    https://doi.org/10.14459/2022md1661419
     
  • Bautechnik Aufsatz:
    Engel, T.; Moosmüller, K.; Werther, N. (2021) Brandgefahr durch Elektroinstallationen in modernen mehrgeschossigen Holzgebäuden.
    Bautechnik 98, H. 5, S. 353–364.
    https://doi.org/10.1002/bate.202000076
     
  • NaWaRo-Dämmstoffe Schlussbericht:
    FNR (2021).: Schlussbericht zum Verbundvorhaben Mehr als nur Dämmung – Zusatznutzen von Dämmstoffen aus nachwachsenden Rohstoffen (NawaRo-Dämmstoffe)